Alcaraz gewinnt das French Open nach einem Fünf-Satz-Krimi gegen Zverev (2024)

Der Spanier gewinnt mit gerade einmal 21 Jahren schon sein drittes Grand-Slam-Turnier. Im Final von Roland-Garros ringt er Alexander Zverev mit 6:3, 2:6, 5:7, 6:1, 6:2 nieder. Dem Deutschen droht eine unvollendete Karriere.

Daniel Germann

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Zumindest aufs Tennis bezogen ist Paris so etwas wie die nördlichste Provinz der spanischen Monarchie. Seit dem Beginn der Open Era im Jahr 1968, die zu einer Professionalisierung dieser Sportart führte, hatten in der französischen Kapitale bis vor kurzem bereits sechs verschiedene Spanier das wichtigste Sandplatzturnier der Saison gewonnen. Die Liste umfasste Andres Gimeno, Sergi Bruguera, Carlos Moya, Albert Costa, Juan Carlos Ferrero und natürlich: Rafael Nadal.

Nadal hat hier seit 2005 vierzehn Titel geholt. Durchbrochen wurde seine Dominanz durch Roger Federer (2009), Stan Wawrinka (2015) und Novak Djokovic (2016, 2021, 2023). Es ist gut möglich, dass Nadal vor knapp zwei Wochen seinen letzten Auftritt auf dem Pariser Sand hatte. Der 38-jährige Mallorquiner unterlag in der ersten Runde Alexander Zverev.

Nadal hat seine Karriere noch nicht beendet. Er hat unmittelbar nach seiner Niederlage offengelassen, ob er noch einmal nach Paris zurückkehren werde. Möglicherweise ist er schon in anderthalb Monaten wieder da, wenn auf der Anlage im Bois de Boulogne das olympische Tennisturnier eröffnet wird.

Das Naherholungsgebiet im Westen der Stadt war einst das Jagdrevier der französischen Monarchen, später ein Tummelplatz für das leichte Gewerbe. In den letzten Jahren war es wegen des Tennis oft in spanischer Hand. Und nun hat also am Sonntag ein weiterer Iberer seine Spuren unauslöschlich dort hinterlassen: Carlos Alcaraz. Mit gerade einmal 21 Jahren gewann er den Final von Roland-Garros gegen Alexander Zverev 6:3, 2:6, 5:7, 6:1, 6:2. Nach 4:19 Stunden verwertete er seinen ersten Matchball mit einem Vorhand-Winner.

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Das Lächeln war bei Alcaraz auf einmal wie weggewischt

Es war ein Final zwischen zwei nahezu ebenbürtigen Spielern. Alcaraz machte vierzehn Punkte mehr (153:139) als sein Konkurrent. Aus den Händen von Björn Borg, der das Turnier von 1974 bis 1981 sechsmal gewonnen hatte, bekam Alcaraz die Trophäe, die über Jahre scheinbar fest Rafael Nadal gehört hatte. Boris Becker würdigte Alcaraz, indem er über ihn sagte, er sei mit 21 wahrscheinlich sogar besser und weiter, als dies Nadal, Federer und Djokovic in diesem Alter gewesen seien.

Alexander Zverev hingegen, der Finalgegner, dem in jungen Jahren eine ähnlich spektakuläre Karriere zugetraut worden war wie Alcaraz, muss weiter auf seinen ersten Major-Titel warten; der Deutsche verlor auch sein zweites Endspiel. Beim ersten Anlauf 2020 am US Open lag er gegen den Österreicher Dominic Thiem bereits mit zwei Satzgewinnen vorne, ehe der Match kippte (6:2, 6:4, 4:6, 3:6, 6:7).

Jene Niederlage machte Zverev lange zu schaffen. Es dauerte einige Zeit, bis er sie abstreifen konnte und zu seiner Form zurückfand. Zweimal hatte er in den vergangenen Jahren in Paris die Halbfinals erreicht, dort aber 2021 trotz guter Form gegen Stefanos Tsitsipas verloren. 2022 schien Zverev auf gutem Weg, Nadal zu entthronen, ehe er sich den Knöchel übertrat und aufgeben musste.

Unterdessen ist Zverev 27 Jahre alt, ihm bleiben bestimmt noch einige Jahre, um die hohen Erwartungen zu erfüllen, welche speziell in Deutschland seine Karriere begleiten. 2018 und 2021 gewann er jeweils die ATP-Finals, das Saison-Schlussturnier der besten Acht, das als so etwas wie ein fünftes Major-Turnier gilt. 2021 errang er in Tokio Olympiagold. Doch ohne einen Grand-Slam-Titel bleibt eine Tennis-Karriere unvollendet.

In diesem Jahr schien alles bereit für Zverev. Die Form passte. In der ersten Hälfte der Saison war einzig Jannik Sinner noch erfolgreicher. Im Januar erreichte Zverev am Australian Open die Halbfinals, unmittelbar vor Roland-Garros gewann er das Masters-1000-Turnier von Rom. Dazu schwächeln die langjährigen Dominatoren, wozu Zverev in Paris beitrug, indem er Nadal in der ersten Runde bezwang. Djokovic sucht nach seiner Form und musste sich aus Roland-Garros wegen einer Meniskusverletzung zurückziehen. Sinner, der nun von der ATP erstmals als Nummer 1 der Welt geführt wird, scheiterte im Halbfinal an Alcaraz.

Doch eben, da ist noch dieser Alcaraz. Der Spanier hatte im Vorfeld des French Open mit körperlichen Problemen zu kämpfen gehabt, und auch im Final behinderten ihn offensichtlich Krämpfe. Im dritten Satz musste er den Physiotherapeuten auf den Platz rufen und sich an einem Oberschenkel behandeln lassen. Das Lächeln, das ihm gewöhnlich unabhängig vom Spielstand ins Gesicht geklebt scheint, war auf einmal wie weggewischt. Das spanische Wunderkind zeigte menschliche Züge. Nachdem er im dritten Satz bereits 5:2 geführt hatte und zum Satzgewinn aufschlug, kippte der Match zugunsten von Zverev. Zumindest vorübergehend. In den entscheidenden Momenten war Alcaraz doch wieder besser.

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Verfahren gegen Zverev wegen häuslicher Gewalt ist eingestellt

Damit ist Alcaraz nun dreifacher Grand-Slam-Sieger. Als bisher jüngster Spieler hat er an drei der vier Major-Turniere mindestens einmal den Titel geholt. Nach dem US Open und Wimbledon triumphierte er jetzt also auch da, wo es ihm als Spanier am nächsten liegt. Im neuen ATP-Ranking wird er wieder als Nummer 2 geführt.

Doch in der Art, wie Zverev die Niederlage hinnahm, war er am Ende auch ein wenig ein Sieger. Der russischstämmige Norddeutsche ist nicht unbedingt das, was man gemeinhin als Sympathieträger bezeichnet. Zu viele Ausfälle, zu viele Skandälchen und Skandale zeichnen seinen Lebenslauf. Erst am Freitag, während er in Paris um den Finaleinzug kämpfte, stellte ein Berliner Gericht ein gegen ihn gerichtetes Verfahren seiner Ex-Freundin Brenda Patea wegen häuslicher Gewalt ein und hob den entsprechenden Strafbefehl auf. Vielleicht macht das nun seinen Kopf frei und ebnet ihm den Weg zum ersten Grand-Slam-Titel. Das Potenzial dazu hätte er in seinem Körper.

Wie lange Zverev diesmal brauchen wird, um die Niederlage zu verarbeiten? Niemand weiss es. Besonders bitter macht die Niederlage ein Fehler des Stuhlschiedsrichters, der zu Beginn des fünften Satzes einen Doppelfehler von Alcaraz nicht gesehen hatte. Hawk-Eye, das elektronische Auge, kommt in Roland-Garros nicht zur Anwendung. Statt mit einem Break in Führung zu gehen, gab der Deutsche kurz darauf seinen Aufschlag ab. Rückblickend war das ein sehr entscheidender Ball in diesem ausgeglichenen Final. Diesmal gelang Zverev kein Comeback mehr.

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